Das Urheberpersönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht auf Werkintegrität: Nur Urheber haben das alleinige Recht, zu bestimmen,
⇒ ob, wann und wie das Werk geändert werden darf (Art. 11 Abs. 1 lit. a URG) und
⇒ ob, wann und wie das Werk zur Schaffung eines Werks zweiter Hand verwendet oder in ein Sammelwerk aufgenommen werden darf (Art. 11 Abs. 1 lit. b URG).
Urheber können sich jeder Entstellung des Werks widersetzen, die sie in ihrer Persönlichkeit verletzt (Art. 11 Abs. 2 URG). Erlaubt sind allerdings Parodien. Hier sieht das Urhebergesetz eine Sonderregelung vor (Art. 11 Abs. 3 URG)
Änderungen von Werken:
Unter einer Änderung gemäss Art. 11 Abs. 1 lit. a URG ist eine Bearbeitung des Werks, ohne jegliche schöpferische Qualität (z.B. Darstellung einer Skulptur auf einer Gedenkmünze, vgl. BGE 114 II 370) zu verstehen. Solche Änderungen sind in vielzähligen Varianten möglich – grosse und kleine Änderungen, qualitätsmindernde oder – sogar – qualitätssteigernde Änderungen (z.B. Änderung eines Schwarz-Weiss-Fotos in ein Buntfoto), Zweckentfremdungen, Kürzungen oder Verlängerungen eines Werks, andere Interpretationen etc. Eine Änderung in dem Sinne wirkt sich qualitativ auf das Werks aus. Blosse technische Umwandlungen sind davon nicht umfasst – das ist der Fall, wenn ein Werk nur auf ein anderes Trägermedium oder eine andere Speichertechnologie übertragen wird vgl. Müller/Oertli-Pfortmüller, URG, 2. Aufl., 2012 Art.11 N.4) Eine Digitalisierung eines Bildes ist daher z.B. keine Änderung.
Eine Änderung eines Werks ist grundsätzlich nur durch die Urheber selber zulässig. Änderungen dürfen allerdings durch Dritte vorgenommen werden, wenn ein Urheber oder eine Urheberin eine Einwilligung dazu gegeben hat. Hierfür müssen Urheber und Dritte nicht immer eine ausdrückliche Regelung dazu treffen – in gewissen Branchen kann eine Einwilligung eines Urhebers oder einer Urheberin auch stillschweigend angenommen werden: z.B. Kürzung eines Leserbriefes durch eine Zeitungsredaktion. Auch in Arbeitsverhältnissen müssen Arbeitnehmende unter Umständen Änderungen hinnehmen (ausführlicher unter: “Urheberrecht und Weisungsrecht von Arbeitgebern”).
Verletzung des Rechts auf Werkintegrität:
Ein Werk kann durch eine dritte Person so geändert werden, dass es entstellt wird. Sofern Urheber durch diese Entstellung in ihrer Persönlichkeit verletzt werden, können sie sich dann dagegen wehren (Art. 11 Abs. 2 URG). Dieses Recht ist unübertragbar.
Doch wann ist ein Werk “entstellt”? Die Änderung des Werks muss persönlichkeitsverletzend sein (Art. 11 Abs. 2 URG). Es kommt also darauf an, ob durch die Änderung die Ehre oder das berufliche Ansehen von Urhebern verletzt wird oder eine Verletzung droht (vgl. Barrelet/Egloff, Das neue Urheberrecht, 3. Aufl., 2008, Art. 11 N.13). Zu fragen ist insbesondere, ob eine Änderung des Werks dem Ansehen des Urhebers schaden, ihn herabwürdigen oder geringschätzen soll. Allerdings sind hier auch Begleitumstände im Einzelfall zu berücksichtigen – verfasst z.B. ein Urheber einen politischen Artikel und stellt ihn freiwillig in ein Umfeld, in dem auf öffentlicher Plattform in teilweise aggressiver und polemischer Form über politische Meinungen gestritten wird und er mit scharfer Kritik rechnen muss, dann darf nicht auf eine “allfällige Überempfindlichkeit” des Urhebers abgestellt werden, sondern es muss ein objektiver Massstab herangezogen werden (BGE 131 III 493). Kritik mag wohl erst dann persönlichkeitsverletzend sein, wenn sie gehässig, unnötig oder beleidigend ist (vgl. Hilty, Urheberrecht, 2011, 173).
GUT ZU WISSEN
Haben Dritte das Eigentum (Art. 641 ZGB) an einem geschützten Werk erworben (z.B. jemand hat ein Bild des Künstlers X gekauft), sind sie zwar Eigentümer des Werks geworden. Aber sie können nicht mit dem Werk verfahren, wie sie wollen. Sie sind an bestimmte urheberrechtliche Regelungen gebunden:
- an die Unabhängigkeit von Eigentum und Urheberrecht (Art. 16 Abs. 3 URG): Das Eigentumsrecht gibt Eigentümern nicht gleichzeitig das Recht, Änderungen am Werk vornehmen zu dürfen, da das Recht auf Werkintegrität ein Urheberpersönlichkeitsrecht ist. Hierfür ist ist die Einwilligung des Urhebers oder der Urheberin notwendig. Einen Sonderfall legt allerdings das Urhebergesetz für Bauwerke fest – “ausgeführte Werke der Baukunst dürfen vom Eigentümer oder von der Eigentümerin geändert werden” (Art. 12 Abs. 3 URG). Ein Architekt z.B. kann sich daher bei einer notwendigen Sanierung eines Dachs eines von ihm konzipierten Teiles eines Schulhauses nicht auf die Verletzung der Werkintegrität und damit auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes stützen (BGE 117 II 466). Der Urheber oder die Urheberin kann sich aber jeder Entstellung des Werks widersetzen, die ihn oder sie in der Persönlichkeit verletzt.
- an das Zutrittsrecht für die Urheber (Art. 14 Abs. 1 URG): Wer ein Werkexemplar zu Eigentum hat oder besitzt (Art. 919 ff. ZGB), muss es der Urheberschaft unter bestimmten Bedingungen zugänglich machen.
- an das Verbot von Zerstörungen (Art. 15 Abs. 1 URG): Eigentümer dürfen Originalwerke, zu denen keine weiteren Werkexemplare bestehen, nicht zerstören, ohne dem Urheber oder der Urheberin vorher die Rücknahme des Originalwerkes anzubieten.
FAQ
Nein, das Museum muss der Künstlerin als Urheberin des Werks dieses zur Rücknahme anbieten (Art. 15 Abs. 1 URG). Erst wenn die Künstlerin die Rücknahme verweigert, dann darf das Werk beseitigt werden.
Ja, wird das Werk so umgestaltet, dass es neue schöpferische Inhalte erhält, dann liegt eine Bearbeitung vor (sog. Werke zweiter Hand, Art. 3 Abs. 1 URG). Wird das Werk hingegen ohne jegliche schöpferische Qualität bearbeitet, dann kann von einer Änderung gesprochen werden..
Ja, bei Bauwerken, Art. 12 Abs. 3 URG: Ausgeführte Werke der Baukunst dürfen vom Eigentümer oder von der Eigentümerin geändert werden.. Die Urheber können sich aber jeder Entstellung des Werks widersetzen, die sie in ihrer Persönlichkeit verletzt.
Nein, die Eigentümerstellung ändert nichts an der Tatsache, dass der Künstler weiter Urheber des Werkes bleibt und nur er damit das Recht aus Art. 11 Abs. 2 URG. zur Änderung hat. Etwas anderes ergibt sich, wenn mir der Künstler ausdrücklich erlaubt hat, Änderungen vorzunehmen.
Nein, die reine Digitalisierung ist eine blosse technische Umwandlung und keine Änderung. Allerdings handelt es sich um eine Vervielfältigung gemäss Art. 10 Abs. 2 lit. a URG und darf nicht ohne Einwilligung der Urhebers oder Rechteinhabers vorgenommen werden, es sei den, eine der Schrankenbestimmungen ist einschlägig (z.B. Digitalisierung zum privaten Eigengebrauch).