7.5.1.2.1 Privater Eigengebrauch

Artikel 19 Abs. 1 Bst. a URG besagt, dass jede Werkverwendung im persönlichen Bereich und im Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte oder Freundinnen und Freunde, zulässig ist. Dies gilt auch für soziale Medien. Diese Einschränkung des Urheberrechts deckt in erster Linie die Verwendung eines Werks zu rein persönlichen Zwecken. Sofern eine Person ausschliesslich zum Eigengebrauch ein auf einem sozialen Netzwerk zugängliches Werk einsieht, ist sie hierzu berechtigt (Ruedin P. E. in: de Werra/Guilliéron (Hg.), CoRo, Propriété intellectuelle, S. 183). So kann ein Nutzender beispielsweise ein in YouTube eingestelltes Werk auf eigene Rechnung einsehen, da dies einen Eigengebrauch darstellt.

Die Verwendung eines Werks innerhalb eines untereinander eng verbundenen Personenkreises wie etwa unter Verwandten oder Freundinnen und Freunden ist ebenfalls zulässig. Der Begriff «Kreis von Personen, die unter sich eng verbunden sind» ist allerdings im engen Sinne auszulegen (Salvadé V. Droit de l’auteur et technologies de l’information et de la communication, Schulthess, Genf, Zürich, Basel, 2015, S. 10). Familienmitglieder und Personen, die dauerhaft im selben Haushalt leben, fallen unter die entsprechende Definition. Eine einfache gesellschaftliche Verbindung wie etwa unter den Mitarbeitenden eines Unternehmens gelten nicht als hinreichend eng verbunden. Der in Artikel 19 Abs. 1 Bst. a bezeichnete Freundeskreis beschränkt sich somit auf Personen, die einander gut kennen (Ruedin P. E: in: de Werra/Guilliéron (Hg.), CoRo, Propriété intellectuelle, S. 184).

Wer Facebook nutzt und ein geschütztes Werk ohne Genehmigung des oder der Urhebenden hochlädt und dabei den Empfängerkreis nicht einschränkt, verstösst gegen das Recht, ein Werk zugänglich zu machen, indem er oder sie der Öffentlichkeit den jederzeitigen Zugang zu diesem Werk ermöglicht. Der Einsatz von sozialen Medien zur Verwendung eines Werks in privatem Rahmen stellt kein Problem dar, da alle Formen der Verwendung durch die entsprechende Ausnahmeregelung abgedeckt sind. In diesem Beispiel geht der Empfängerkreis des Werkes aber über den Kreis eng miteinander verbundener Personen hinaus.

Die Frage ist komplizierter, wenn der oder die Nutzende die Veröffentlichung nur dem engeren Kreis seiner Facebook-«Freunde» anzeigt. Der Begriff «Freunde» ist in der Definition von Facebook zu weit gefasst, als dass er sich mit dem «Kreis eng miteinander verbundener Personen» decken würde, von dem das Gesetz und die Rechtsprechung ausgehen (Schlussbericht AGUR12 vom 28. November 2013, S. 81). Diese beiden Begriffe decken sich somit nicht vollumfänglich. Daher gehen Nutzende, die einen nur für ihre Freunde bestimmten Inhalt veröffentlichen, das Risiko ein, dass sie nicht vollumfänglich durch die Ausnahmeregelung der privaten Nutzung geschützt sind.

Für Nutzende von Netzwerken wie WhatsApp ist die Ausgangslage anders: Sie haben nämlich die Möglichkeit, gezielter auszuwählen, mit wem sie bestimmte Inhalte teilen wollen. Sie können einen Empfängerkreis auswählen, der sich durchaus mit ihrem «Kreis eng miteinander verbundener Personen» decken kann.

Somit ist Vorsicht angebracht, ebenso wie eine Analyse, ob aufgrund der potenziellen Zielgruppe im konkreten Fall eine Ausnahmeregelung für den privaten Gebrauch zum Tragen kommt (Rebetez M., Internet, les réseaux sociaux et le droit d’auteur, S. 55).