2.1.2 Individueller Charakter
Die wohl am schwierigsten zu bestimmende Voraussetzung für den Urheberschutz eines Werkes ist dessen individueller Charakter, weil es hier immer auf den Einzelfall ankommt. Das Werk selber (und nicht der Urheber oder die Urheberin) muss einen gewissen Grad an Individualität oder Originalität aufweisen. Das heisst, es muss sich vom allgemein Üblichen und Alltäglichen abheben. Als Anhaltspunkt sollte man sich hier die Frage stellen, ob andere bei gleicher Aufgabenstellung oder in der gleichen Situation das Werk auch so oder so ähnlich geschaffen hätten. Wenn das der Fall ist, dann fehlt es an der Individualität und das Werk fällt nicht unter den urheberrechtlichen Schutz.
z.B. die Erstellung eines Telefonbuchs – hier fehlt es in der Regel an jeglicher Individualität, da Telefonbücher üblicherweise ähnlich aufgebaut sind und es keines kreativen “Inputs” bedarf; ebenfalls das sog. Arzneimittel-Kompendium, eine schriftliche Aufstellung mit gesetzlich vorgeschriebenen Arzneimittel- und Patienteninformationen – hier fehlt es am individuellen Charakter. Hätten andere das Kompendium herausgegeben, hätten sie im Wesentlichen das Kompendium auch so gestaltet, da die Fachinformationen nach gewissen wissenschaftlichen oder medizinischen Regeln aufgeführt werden (vgl. BGE 134 III 166, 172).
Wenn es bereits ähnliche Werke gibt, dann kann ein Werk immer noch individuellen Charakter haben. Und zwar, wenn es sich von den bestehenden Werken so abhebt, dass es eigene charakteristische und einzigartige Aspekte enthält, was die anderen Werkersteller eben nicht so in der Art gemacht hätten.
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