5a.2.5.1 Einschränkungen des Eigengebrauchs

Die Schrankenbestimmungen für den Eigengebrauch (Art. 19 URG) gelten nicht absolut, sondern sind ihrerseits wieder eingeschränkt (“Gegenausnahme” oder Schrankenschranke), um die Urheberin oder die Rechteinhaberin nicht über die Massen in ihrem ausschliesslichen Recht zu verletzen. Dazu sieht das Gesetz unter Art. 19 Abs. 3 URG folgende Regelungen vor:

  • Vervielfältigungen von Werken der bildenden Kunst (Art. 19 Abs. 3 lit. b URG) und sog. “grafischen Aufzeichnungen von Werken der Musik”, sprich Musiknoten (Art. 19 Abs. 3 lit. c URG), sind nach Gesetz eigentlich – ausser für den rein privaten persönlichen Eigengebrauchs – vollkommen unzulässig, unabhängig von ihrer Verfügbarkeit im Handel. Da dies aber in der Praxis kaum durchsetzbar ist, erlauben die Gemeinsamen Tarife (GT 8 & 9) für den privaten, den schulischen und betrieblichen Eigengebrauch mehr als das Gesetz (vgl. dazu das Merkblatt zu Musiknoten): Werke der bildenden Kunst dürfen daher zum Beispiel für den Unterricht vollständig kopiert werden und Musiknoten dürfen zum Beispiel für den Chor wie die Werke nach Art. 19 Abs. 3 lit. a URG immerhin unvollständig kopiert werden.
  • Die Fotografien werden nicht ausdrücklich in Art. 19 Abs. 3 URG genannt. Bei dieser Werkkategorien stellt sich demnach die Frage, ob sie unter Art. 19 Abs. 1 lit. a URG fällt. Wenn dem so wäre, dürften diese auch nur unvollständig kopiert werden, sofern sie im Handel erhältlich sind. Eine unvollständige Kopie einer Fotografie oder eines Bildes kann allerdings eine Verletzung der Werkintegrität nach Art. 11 Abs. 2 URG darstellen und wäre damit unzulässig. Nach Aussagen von ProLitteris und den Gemeinsamen Tarife (GT 7, 8 & 9) mit Gültigkeit ab 2017, dürfen Bilder und Fotografien im Rahmen des privaten, schulischen und betrieblichen Eigengebrauchs vollständig kopiert werden.
  • Ebenfalls verboten nach Gesetz ist das Aufnehmen von Vorträgen, Aufführungen oder das Vorführen eines Werkes auf Ton-, Tonbild- oder Datenträger (Art. 19 Abs. 3 lit.d URG). In der juristischen Lehre ist umstritten, ob dieses Verbot auch für den rein privaten, persönlichen Eigengebrauch (Art. 19 Abs. 1 lit. a URG) gilt. Für einen Teil der Lehre darf z.B. ein Konzertbesucher seine Lieblingsband am öffentlichen Livekonzert filmen und dann diesen Film auf seinem Computer zu Hause anschauen, weil der Konzertbesucher die Aufnahme nur für seinen privaten Eigengebrauch vorgenommen hat. (vgl. dazu mit weiteren Hinweisen Müller/Oertli-Gasser, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Art. 19, N 47). Unabhängig von diesem Rechtsstreit ist anzufügen, dass die Durchsetzung dieses Verbots in Zeiten von Handys wohl kaum möglich ist. Das Verbot gilt jedenfalls sicherlich nicht, wenn im Rahmen des privaten Eigengebrauchs an nicht öffentlichen Veranstaltungen wie Schülertheater und privaten Anlässen Aufnahmen gemacht werden. Im Weiteren erlauben bezüglich Aufnehmen von Vorträgen, Aufführungen oder das Vorführen eines Werkes auf Ton-, Tonbild- oder Datenträger (Art. 19 Abs. 3 lit.d URG) im Rahmen des schulischen Eigengebrauchs die Gemeinsamen Tarife (GT) mehr als das Gesetz (vgl. GT 7).

GUT ZU WISSEN

“im Handel erhältlich” (Art. 19 Abs. 3 lit. a URG)

Der Begriff “im Handel erhältlich” stammt aus einer vordigitalen Zeit, als Bücher und Schallplatten im Buchhandel und ähnlichen Geschäften verkauft wurden und es noch nicht möglich war, einzelne Songs, einzelne Artikel oder einzelne Bilder über das Internet zu erwerben

So galt ein Werk als vergriffen, wenn man es im Handel nicht mehr kaufen konnte. Mit den digitalen Möglichkeiten ist die Situation viel schwieriger. Es stellen sich Fragen, ob ein Buch, dessen gedruckte Auflage vergriffen ist und auch keine neue Auflage mehr geplant ist, man dieses aber noch als eBook auf der privaten Homepage des Autors käuflich erwerben kann oder auch gratis downloaden kann, als noch “im Handel erhältlich” gilt. Oder wie es ist mit einer Schallplatte, welche man längstens nicht mehr normal kaufen kann, aber allenfalls bei einem Sammler noch findet?

Der Begriff “im Handel erhältlich” muss demnach an die digitalen Vertriebsformen angepasst werden: grundsätzlich gilt daher auch als “im Handel erhältlich”, wenn etwas über das Internet erworben werden kann. Konsequenz ist dann aber, dass Werke kaum noch den Status “vergriffen” erlangen. Allerdings ist nach wie vor entscheidend, ob es sich beim entsprechenden Werk um die handelsübliche Vermarktungsform handelt. Vereinfacht gesagt, kann der Verlag seine Vermarktung eines Buches nicht dadurch schützen, indem er zusätzlich zum gedruckten Buch, jedes einzelne Buchkapitel daraus auch als .pdf-Dokument auf seiner Homepage zum Kauf anbietet. Anders ist es, wenn der Verlag das Buch sowohl als Gedrucktes verkauft als auch als eBook. Solange das eBook über das Internet erhältlich ist, ist es unerheblich, ob das Gedruckte irgendwann vergriffen ist. Ist ein gedrucktes Buch aber nur noch in einem herkömmlichen Antiquariat zu finden, gilt dies nicht mehr als im Handel erhältlich. Wohl anders zu beurteilen sind digitale Antiquariate wie ZAVB oder Amazon.

On-Demand-Dienste – Vervielfältigung von vertraglich online zur Verfügung gestellter Werke

Im Falle legalen Downloads, beispielsweise über iTunes, stellt sich die Frage des zulässigen Umfangs (Art. 19 Abs. 3 lit. a URG) und der Vergütung (Art. 20 URG). Das Downloaden ist eine Vervielfältigung, welche, sofern sie ausserhalb des engen privaten Eigengebrauchs (Art. 19 Abs. 1 lit. a URG) für den Eigengebrauch gemacht wird, an die Schrankenschranken von Art. 19 Abs. 3 URG gebunden ist. Gegebenenfalls dürfte man demnach nur unvollständig vervielfältigen (Art. 19 Abs. 3 lit. a URG) und andererseits müsste man eine Vergütung nach Art. 20 URG leisten. Das würde zum widersprüchlichen Ergebnis führen, dass man als Nutzende trotz Lizenzvertrag, den man mit iTunes über den Download von Musik geschlossen hat, diese Musik dennoch nur unvollständige herunterladen dürfte und einmal dafür direkt an iTunes etwas bezahlen müsste, aber auch als Ausgleich für die zwingende gesetzliche Lizenz (Eigengebrauch nach Art. 19 i.V.m. Art. 20 URG) ein zweites mal gegenüber der Verwertungsgesellschaft vergütungspflichtig würde. Damit liegt eine Überschneidung von kollektiver Verwertung – aufgrund gesetzlicher Lizenz – und individueller Verwertung – aufgrund vertraglicher Lizenz – vor, welche vermieden werden muss, da sonst eine ungerechtfertigte Mehrfachvergütung vorliegt. Aus diesem Grund wurde bei der Revision des Urheberrechtsgesetzes 2007 der Art. 19 Abs. 3bis URG eingeführt, um vor allem die Doppelzahlungen zu verhindern. Demnach fallen Vervielfältigungen, die erlaubterweise aufgrund Onlineangeboten erfolgen weder unter die Schrankenschranken von Art. 19 Abs. 3 URG noch müssen dafür Vergütungen an die Verwertungsgesellschaften nach Art. 20 URG bezahlt werden.
In der Lehre ist man sich allerdings uneinig, ob sich diese Regelung nur auf die erste Kopie, also das erste Herunterladen bezieht und jede weitere Vervielfältigung – beispielsweise das weitere Kopieren der Musik vom Computer auf den MP3-Player oder das Downloaden von wissenschaftlichen Artikeln aus einem eJournal und deren Vervielfältigung für den Unterricht – dann unter die Vergütungspflicht nach Art. 20 URG fällt. (vgl. dazu Müller/Oertli – Gasser, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., Art. 19 N48aRehbider/Viganò, Urheberrecht, 3. Aufl., Art. 19 N37; Barrelet/Egloff, Urheberrecht, 3. Aufl.; Art. 19 N28aBrändli Sandra, Data Mining als Forschungsmethode: Die Probleme des Grabens nach Datengold, in Mensch und Maschine – Symbiose oder Parasitismus?, 2014, S. 54) Dies zu klären, wird Sache des Gesetzgebers oder der Gerichte sein.

FAQ

5.2.5.1-1 Dürfen historische Musiknoten kopiert werden?

Notenwerke, welche durch das Urheberrecht nicht mehr geschützt sind, weil die Urheberin seit mehr als 70 Jahren verstorben ist, sind gemeinfrei und können beliebig verwendet werden. dem Merkblatt der Verwertungsgesellschaft SUISA ist dies allerdings aufgrund des Wettbewerbsrecht nicht erlaubt. So absolut stimmt das nicht. Entscheidend ist die Frage, ob es sich bei den zu kopierenden Noten um sog. marktreife Produkte handelt, welche mittels eines technischen Reproduktionsverfahrens und darüber hinaus ohne angemessenen eigenen Aufwand als solche übernommen werden. Die Produkte müssen also ohne weiteres Zutun gewerblich verwertet werden können (vgl. BGE 131 III 384. S. 389). Die Verwendung von historischen Musiknoten für den Eigengebraucht oder auch das Kopieren dieser für einen Chor oder ein Orchester ist keine gewerbliche Verwertung und somit immer zulässig.

5.2.5.1-2 Darf ich als Privatperson Musik oder Filme aus einer Internettauschbörse (peer to peer) für meinen privaten Gebrauch herunterladen?

Ja das Downloaden von Werken aus einer Internettauschbörse für den persönlichen privaten Eigengebrauch (Art. 19 Abs. 1 lit. a URG) ist nach schweizerischem Urheberrecht erlaubt, solange die Werke, welche in der Internettauschbörse angeboten werden, bereits veröffentlicht sind. Unzulässig wäre es, unveröffentlichte Werke herunterzuladen, da der Eigengebrauch nur an veröffentlichten Werken zulässig ist. Unerheblich aus Sicht des Nutzers ist es, ob er aus legaler oder illegaler Quelle downloadet.

Unzulässig, da vom Eigengebrauch (Art. 19 URG) nicht mehr gedeckt, ist aber der Upload von Werken in eine Internettauschbörse, ausser eine solche würde nur innerhalb des privaten Eigengebrauchs genutzt, also unter Personen, die unter sich eng verbunden sind, wie Verwandte oder Freunde. Dabei ist zu beachten, dass viele Filesharing-Programme automatisch parallel Dateien sowohl herunterladen auch hochladen.