5.2.4-1 Darf eine Bibliothek eine Vervielfältigung an eine kommerzielle Firma versenden?
Ja, wenn diese Firma und der von ihr beabsichtigte Verwendungszweck nach Art. 19 Abs. 1 lit. c. URG unter den betrieblichen Eigengebrauch fällt.
Im Rahmen des privaten, schulischen und betrieblichen Eigengebrauchs ist es häufig der Fall, dass Werknutzer das Werk nicht selber vervielfältigen, sondern durch einen Dritten (z.B. eine Bibliothek, einen Copyshop, etc.) vervielfältigen lassen. Das ist zulässig und gesetzlich geregelt (Art. 19 Abs. 1 i.V.m. Art. 19 Abs. 2 URG). Da das Urheberrechtsgesetz technologieneutral ist, ist es unerheblich, mit welcher Technik die Kopien hergestellt werden. Im Weiteren darf der Dritte die Kopien, ebenfalls technikneutral, sowohl per Post oder in digitaler Weise an den Nutzer versenden (BGE 140 III 622). Nach Art. 19 Abs. 2 URG ebenso zulässig ist die blosse Zurverfügungstellung von Kopiergeräten, so dass ein Werknutzer oder eine Werknutzerin selber die gewünschten Vervielfältigungen für ihren Eigengebrauch anfertigen können.
Im Falle des Selber-Kopierens auf zur Verfügung gestellten, allgemein zugänglichen Kopiergeräten geniessen Werknutzer nicht mehr diesselben Befugnisse, die sie hätten, wenn sie das Werk auf einem privaten Kopiergerät, mit einem privaten Scanner, einer Digitalkamera, etc.) vervielfältigen würden. Konkret profitieren sie nicht mehr von der nach privatem Eigengebrauch geltenden besonderen Privilegierung des erlaubterweise vollständigen Kopierens. Somit kommen auch hier - wie beim schulischen und betrieblichen Eigengebrauch - die Einschränkungen bezüglich des erlaubten Umfangs zur Anwendung (Art. 19 Abs. 3 URG), wonach die Vervielfältigung eines vollständigen Werks nicht zulässig ist.
Der Dritte (z.B. Bibliothek, Copyshop) darf nur im Auftrag des nach Art. 19 Abs. 1 URG Eigengebrauchsberechtigten Vervielfältigungen herstellen. Nicht erlaubt ist es, dass der Dritte auf Vorrat Vervielfältigungen herstellt (BGE 128 IV 213).
Ja, wenn diese Firma und der von ihr beabsichtigte Verwendungszweck nach Art. 19 Abs. 1 lit. c. URG unter den betrieblichen Eigengebrauch fällt.
Nein, das Versenden von Vervielfältigungen ins Ausland ist von den gemeinsamen Tarifen nicht gedeckt. Im Einzelfall wäre hierzu die Einwilligung des Rechteinhabers erforderlich.
Spezialfall: das Versenden einer Kopie aus einem lizenzierten Werk (z.B. Artikel aus einem wissenschaftlichen e-Journal) kann allenfalls nach Lizenzvertrag erlaubt sein.