5a. WIE… dürfen andere ein Werk nutzen? – Gesetzliche Ausnahmen
Der Urheber oder die Urheberin eines Werks hat grundsätzlich das ausschliessliche Recht (Ausschliesslichkeitsrecht) an seinem bzw. ihrem Werk (Art. 9-11 URG). Er oder sie sind “Herrin und Herr” über ihre Schöpfung und können entscheiden, was damit geschehen soll, insbesondere auch wie andere ihr Werk verwenden dürfen. Das heisst, ohne Einwilligung des Urhebers darf eine andere Person (der Werknutzer) ein Werk im Grundsatz nicht nutzen.
Das ist allerdings nicht im Interesse der Allgemeinheit und auch im täglichen Leben gar nicht praktikabel. Die Werke könnten so kaum genutzt werden, weil jegliche Nutzung – sei es auch nur das Lesen eines Buches oder das Kopieren eines Zeitungsartikels für den privaten Gebrauch – immer das Einholen einer Einwilligung voraussetzen würde. Einerseits ist der sog. Werkgenuss, also das blosse Anschauen, Lesen, Hören eines Werkes, gar kein urheberrechtlich relevanter Vorgang und im Urheberrechtsgesetz auch nicht geregelt. Der Werkgenuss an veröffentlichten Werken ist daher ohne weiteres zulässig. Andererseits sieht das Gesetz Ausnahmen des Ausschliesslichkeitsrechts des Urhebers vor. Diese Ausnahmen werden Schranken oder Schrankenbestimmungen genannt, da sie das Ausschliesslichkeitsrecht beschränken.
Das Urheberrechtsgesetz kennt mehrere Schrankenbestimmungen (Art. 19 – 28 URG, Art. 11 Abs. 3 URG), welche unterschiedlichen Bedürfnissen der Allgemeinheit dienen (Aufzählung in Anlehnung an Hilty, Urheberrecht, 2011, 191 ff.)
- an der möglichst freien Nutzbarkeit von Werken, zum Beispiel das Kopieren von Musik (sog. privater, schulischer und betrieblicher Eigengebrauch Art. 19 URG, vorübergehende Vervielfältigung Art. 24a URG)
- am freien Informationsfluss, zum Beispiel das Zitieren wissenschaftlicher Werke (insb. Zitierfreiheit Art. 25 URG, Museums-, Messe- und Auktionskatalog Art. 26 URG, Werke auf allgemein zugänglichem Grund Art. 27 URG, Berichterstattung über aktuelle Ereignisse Art. 28 URG)
- zur Sicherung kultureller und sozialer Werte, zum Beispiel das Vervielfältigen von Schriftwerken in Blindenschrift ( Parodiefreiheit Art. 11 Abs. 3 URG; Archivierungs- und Sicherungsexemplare Art. 24 URG, Verwendung durch Menschen mit Behinderungen Art. 24c URG)
Mit Ausnahme der Zwangslizenz zur Herstellung von Tonträgern (Art. 23 URG), spricht man bei den Schranken auch von gesetzlichen Lizenzen, da durch Gesetz ein Nutzungsrecht am geschützten Werk eingeräumt wird und somit Werknutzer keine Einwilligung des Urhebers brauchen.